Nach zwei Wochen Pause fand schönerweise wieder das Training am 15.5.2024 statt, in welchem wir uns weiter mit den Türmen und offenen Linien beschäftigt haben, der Leser kann die Aufgabe gerne als Training nutzen, indem er versucht die Pläne für Schwarz und für Weiß abzuleiten und sich anschließend die konkret beste Fortsetzung überlegt. Ansonsten befinden sich im unteren Teil des Artikels die Lösungen.
Lösung:
Die weißen Pläne:
Wenn man sich einen Plan überlegt, macht es unter anderem oft sehr viel Sinn auf die Bauernstruktur zu achten, diese hier wird auch Karlsbader Struktur genannt. Oft wird sie durch weiße d4-Systeme erreicht oder auch mit vertauschten Farben, z.B. über 1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5. Weiß hat in der Regel zwei Möglichkeiten zu spielen. Die erste besteht in f3-e4 mit Raumgewinn und Spiel im Zentrum (hier fehlerhaft, weil die Bauern nur zur Schwäche neigen würden). Die zweite Möglichkeit beseht im Minoritätsangriff, was hier auch der weiße Plan sein sollte. Dabei spielt man b4, a4, b5. All das hat die Idee, dem Schwarzspieler eine Schwäche zu verschaffen, das könnte dann so aussehen:
Man sagt, dass man von einer Schwäche vermutlich „nicht kaputt gehen sollte“, daher würde es für Weiß hier sehr viel Sinn machen noch eine zweite Front zu öffnen, indem man den Turm auf die b-Linie bringt und probiert auch noch den a7 zu belagern, Schwächen zu schaffen ist also haupsächlich die Idee bei einem Minoritätsangriff, wenn man sie dann auch gewinnt, dann hat man sozusagen die Bauernmehrheit des Gegners entwertet. Konkret muss Weiß also nur noch überlegen, ob er mit 1.b4 oder mit 1.a4 beginnt, einer der beiden Züge ist deutlich besser, das hat mit der gegnerischen Antwort zu tun. Spielt Weiß nämlich 1.a4? kann Schwarz mit 1…a5! reagieren und Weiß kann kaum noch Fortschritte am Damenflügel machen. Ja, 2.Tc5 greift den a5 jetzt an und Schwarz muss diesen erstmal relativ passiv mit Ta8 decken, aber dafür hat Schwarz das weiße Spiel lahmgelegt und kann nun selber aktiv werden, was uns zu den schwarzen Plänen führt:
Wenn in dieser Struktur noch mehr Figuren auf dem Brett sind, dann spielt man mit Schwarz in der Regel mit Zügen, wie Se4, f5 und prinzipiell greift man am Königsflügel an, genau das habe ich vor längerer Zeit beim Kieler Sommer Open (mit vertauschten Farben) einmal gespielt:
1.e4 c6 2. d4 d5 3. exd5 cxd5 4. Bd3 Nc6 5. c3 Nf6 6. Nf3 Bg4 7. h3 Bh5 8. O-O e6 9. Bf4 Bd6 10. Bxd6 Qxd6 11. Nbd2 Bg6 12. Bxg6 hxg6 13. Re1 O-O 14. Ne5 Nd7 15. f4 Ndxe5 16. fxe5 Nun ist genau das eben erwähnte auf dem Brett 16…Qc7 17. Qg4 Qb6 18. Rab1 Qa6 19. Nf3 Qxa2 Das war zu gierig, die weiße Initiative ist viel wichtiger als der Randbauer 20. Qh4 Dieser Zug ist gut, weil er Schwarz das Feld e7 wegnimmt und es nun keine Verteidigung gegen den Angriff mit Sg5 und Dh7 mehr gibt.
Natürlich hat Schwarz hier kein Mittelspiel, sondern ein Doppelturmendspiel vor sich, sollte jedoch trotzdem mit f5, g5, f4 spielen, so greift er (optimalerweise noch mit Te8) den e3 an und kreiert eine Schwäche. (Generell ist es immer gut nach Gegenspiel zu suchen, und z.B. selbst Schwächen zu schaffen, denn einfach so tauchen sie leider nicht auf 🙂 ). Die andere Möglichkeit besteht in der Verdopplung der Türme auf der C-Linie, zwar recht passiv, aber gar nicht so leicht für Weiß durchzudringen:
Auf c6 zu nehmen macht alles außer eine Schwäche zu erzeugen, Schwarz nimmt einfach mit den Türmen wieder. Auf 1.a6 erhält Weiß natürlich Vorteil nach 1…bxa6 2.bxa6 nebst Besetzung der b-Linie, aber Schwarz zieht vorbei mit 1…b6 (im Mittelspiel hätte Weiß hier sicherlich einfach einen Mehrbauern mit späteren Zügen, wie Sb5 und c7), und hier kann man zwar auf c6 nehmen, aber Schwarz holt sich einfach den c6 mit dem Heranführen des Königs ab und bleibt mit gedecktem Freibauern auf b6 übrig! Hier wäre also 1.b6 besser und nach dem Tauschen das Besetzen der a-Linie mit Anker auf a7 und Schwäche auf b7, aber nur davon geht Schwarz natürlich „nicht kaputt“, Weiß muss für den anderen Turm und den König noch eine zweite Front öffnen…Die Stellung mag besser für Weiß aussehen, bewegt sich aber im ausgeglichenen Bereich.