Nachdem es gegen Fürstenau nur zu einem 3:3 Unentschieden gereicht hatte, hatten wir uns fest vorgenommen, das erste Heimspiel der Saison für uns zu entscheiden. Zunächst galt es für alle, sich auf dem Weg zum Turm nicht vom plötzlich hereinbrechenden Unwetter aufhalten zu lassen. Es gelang aber zum Glück allen 12 Spielern, das Spiellokal zu erreichen und so konnte der Wettkampf beginnen.
Für uns ging es gut los, hatten wir doch in den meisten Partien recht schnell einen Zeitvorteil, was darauf hindeutete, dass einige der Gegner bereits etwas früher ihr theoretisches Wissen verlassen hatte, so dass sie auf sich allein gestellt waren. Nicht so relevant schien die Zeit auf der Uhr für Andreas Paul mit den weißen Figuren an Brett 4 zu sein, denn die Partie endete als erste. In einer sizilianischen Partie, in der sich beide Spieler für die Eröffnung typisch entwickelt hatten, war es Andreas gelungen, Druck auf einen Bauern im Zentrum aufzubauen. Dieser war an einen dahinter stehenden, ungedeckten Turm gefesselt, weshalb er den ihn angreifenden Bauern nicht selbst schlagen konnte, was seinen Gegner dazu veranlasste, seinen Bauern stattdessen vorzuziehen. Das gab allerdings nach einer taktischen Sequenz trotzdem den Bauern her und zerstörte zudem noch die schwarze Struktur. Nun dauerte es nicht mehr lange, bis die schwarze Stellung zusammenbrach und nicht mehr zu retten war, so dass der Helleraner aufgab und wir mit 1:0 in Führung gingen.
An Brett 2 spielte Nikolai ebenfalls mit den weißen Figuren. Im Mittelspiel ergab sich eine sehr ausgeglichene Stellung, deren einziges Ungleichgewicht darin bestand, dass eine Seite einen Springer hatte, während die andere einen Läufer aufwies. Als sein Gegner ihm also in einer Stellung, in der beide keinen risikofreien Fortschritt mehr sahen, ein Remis anbot, überlegte Nikolai und verschaffte sich zunächst einen Überblick, wie der Spielstand war und wie die noch laufenden anderen Partien aussahen. Als er feststellte, dass wir 1:0 führten und dass Andreas Festl an Brett 5 auf Gewinn stand, nahm er das Remisangebot an. Der Zwischenstand war also 1,5 – 0,5.
Am angesprochenen Brett 5 hatte Andreas Festl mit den schwarzen Figuren einen unangenehmen Angriff auf dem Damenflügel abgewehrt und es geschafft, seinen König aus der Angriffslinie auf den Königsflügel zu rochieren. Im Zuge der Aggression vom Spieler mit den weißen Figuren war dessen Dame auf a7 etwas abseits abgestellt. Das hinderte ihn aber nicht daran, direkt den nächsten Angriff auf dem Königsflügel zu starten, denn auch die schwarzen Figuren waren noch immer auf der anderen Seite des Brettes, wo sie zuvor gebraucht worden waren, um den vorherigen Angriff zu verteidigen. Bei seinen Bemühungen, direkt weiter Druck auf den schwarzen König zu machen, vergaß der Helleraner allerdings sich zu fragen, welche Pläne schwarz verfolgte und so gelang es Andreas, seine Figuren so um die weiße Dame herum zu platzieren (Springer auf b6, Bauer auf b7, Dame auf c7, Turm auf a8), dass diese gefangen war und kein sicheres Feld mehr zum Rückzug hatte. Nach dem Verlust seiner Dame spielte der Gegner zwar noch ein paar Züge weiter und hatte tatsächlich noch eine interessante Idee, die eine Springergabel involvierte, um die schwarze Dame zurückzugewinnen, aber Andreas ließ das nicht zu und kurze Zeit später gab der Helleraner die Partie auf. 2,5-0,5.
Mittlerweile hatten wir an Brettern 1 und 3 bereits signifikante Zeitvorteile erspielt. Dank der in dieser Saison für alle neuen Inkrementsregelung hatte Kurt an Brett 3 zwischenzeitlich etwa 5 Minuten gut gemacht (die Uhr zeigte ihm also noch 1:35 Stunden an), während sein Gegner bereits bei deutlich unter einer Stunde war. Zum Zeitpunkt dieses Spielstandes sah es auf der Uhr noch deutlicher aus, denn er war zwar wieder leicht unter die Startzeit von 90 Minuten gefallen, hatte aber bereits einen Zeitvorteil von über einer Stunde erspielt. Es stellte sich aber heraus, dass sein Gegner wohl die Theorie in der Najdorf-Variante mit dem Läufer auf e2 nicht annähernd so gut kannte wie Kurt, seine Zeit aber gut genutzt hatte und die richtigen Züge fand, so dass sich ein Endspiel entwickelte, dass so eindeutig Remis war, dass der Zeitvorteil keine Rolle mehr spielte. Beide Spieler einigten sich also auf das offensichtliche Remis. Nun stand es bereits 3:1 und ein halber Punkt aus den letzten beiden laufenden Partien würde uns reichen, den Mannschaftskampf zu gewinnen.
An Brett 6 spielte unser jüngster Spieler Edward, der gerade erst von einer extrem anstrengenden Reise zur U-10 Weltmeisterschaft in Georgien (über die es ebenfalls Berichte auf unserer Homepage zu lesen gibt) zurückgekehrt war, gegen einen starken Gegner mit einer DWZ von beachtlichen 1820. Edward startete mit e4, woraufhin der Helleraner die französische Verteidigung wählte. Edward gelang es nicht so gut, den weißen Platzvorteil auszunutzen und hatte Schwierigkeiten, Angriffspunkte in der soliden schwarzen Struktur zu finden. Als er sich entschloss einen Läufer für einen Springer abzutauschen, entstand daraus eine Bauernstruktur, bei der sein d-Bauer eine dauerhafte Schwäche wurde. Es wurden weitere Figuren abgetauscht und es ergab sich ein Endspiel mit weißem Springer gegen schwarzen Läufer und Bauern auf beiden Seiten des Brettes. Auf dem Damenflügel war es symmetrisch mit drei Bauern auf beiden Seiten, auf der Königsseite hatte schwarz sich eine 2-1-Mehrheit erarbeitet. Unglücklicherweise schaffte es schwarz dann auch noch, den einsamen weißen Bauern zu gewinnen, so dass er mit dem König seine zwei verbundenen Freibauern nach vorn eskortierte, während sein Läufer beide Seiten des Brettes kontrollierte und so auch noch jegliches Gegenspiel unterband. Die Mannschaft aus Hellern machte also ihren ersten ganzen Punkt und hielt sich ihre Chancen offen, doch nicht mit leeren Händen fahren zu müssen.
Nun sollte an der letzten noch laufenden Partie an Brett 1 entschieden werden, ob wir den ersten Saisonsieg einfahren konnten oder ob die Helleraner sich noch in ein Unentschieden retten konnten. Johann spielte mit den schwarzen Figuren die Caro-Kann-Verteidigung und auch er erspielte sich einen erheblichen Zeitvorteil in der Eröffnung und im Mittelspiel. Außerdem stand er auf dem Brett etwas besser, nachdem sein Gegner ihm erlaubt hatte, sich frei zu entwickeln und seinen schwachen Läufer abzutauschen. Nach Damentausch und Öffnung der d-Linie, die Johann mit beiden Türmen besetzen konnte, gelang es ihm einen seiner Türme auf die zweite Reihe zu bringen, wo er einen Bauern gewann, bevor er sich abtauschen musste. Diesen Mehrbauern navigierte Johann dann in ein klar gewonnenes Turmendspiel, bei dem weiß nur noch einen der beiden schwarzen Freibauern aufhalten konnte, während der weiße Freibauer noch nicht weit genug fortgeschritten war, um in einem Rennen eine Chance zu haben. So musste der Helleraner aufgeben und Johann besiegelte – nach einer etwas längeren Durststrecke ohne eigenen Sieg – mit diesem vollen Punkt auch den Sieg der dritten Mannschaft gegen die vierte aus Hellern.
Wir können mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein, haben wir doch das Ziel, das wir uns gesteckt hatten, erreicht. Wir haben nun mit 3/4 Punkten einen erfolgreichen Saisonstart hingelegt, stehen in der oberen Tabellenhälfte und gedenken daran anzuknüpfen, wenn wir am dritten Spieltag, dem 12.11.2022, nach Bad Bentheim reisen, um dort weitere zwei Mannschaftspunkte zu holen.
Sebastian