Gestern stand die letzte Runde der diesjährigen Landesligasaison an, wobei die Ausgangslage klar war: An der Tabellenspitze lag die Mannschaft von Nordhorn-Blanke II, die jedoch nicht aufstiegsberechtigt ist, weil deren Erste bereits in der Oberliga spielt. Zweiter war der Stader SV, jedoch nur einen Mannschaftspunkt vor uns, sodass die Entscheidung um den Aufstieg am letzten Spieltag im direkten Duell fallen musste; das hätte sich ein Krimiregisseur nicht besser ausdenken können!
Leider hatte sich bei uns Paul abgemeldet, er hatte eine Reise nach Tschechien gebucht. Unsere Zuversicht wuchs am Sonntagmorgen um 10 h, als der Aufstellung der Stader zu entnehmen war, dass deren Bretter 2 und 4 fehlten, also ein kleiner Vorteil für uns? Es sollte ein spannender, nein nervenaufreibender, Tag werden, aber das ahnte um 10 h, als die Uhren angestellt wurden, noch niemand. Wenig spannend verliefen denn auch die ersten Partien: Als Erster hatte Dirk an Brett 1 nach ca. 1 h seine Arbeit beendet, beide Spieler zeigten sich sehr gut vorbereitet und wer soll Carlsen widersprechen, dass die nach ca. 20 Zügen erreichte Stellung im Gleichgewicht war? Natürlich niemand. Ebenfalls recht spannungsarm, aber langwieriger (ca. 2,5 h) verliefen die Partien an Brett 7, wo der Mannschaftsführer und Berichterstatter das machte, was er am besten kann: Wege zum Abtausch und zum Remis finden (dem wird niemand widersprechen der mich kennt), sowie an Brett 4, wo Edward und sein Kontrahent (bisheriger Score 8/8 !) eine total verrammelte Stellung ohne jeden Tausch aufgebaut hatten. Also Zwischenstand 1,5:1,5.
Dann klärten sich die Partien an den oberen Brettern: An 3 hatte sich Achim einen wachsenden Vorteil erspielt und im Bestreben, einen Bauernverlust zu vermeiden, unterschätzte sein Gegner Achims Freibauern, übersah einen Zug und gab sofort auf. Nebenan an Brett 2 hatte sich Max auf eine wilde „Schlägerei“ eingelassen, und hetzte den gegnerischen König von g8 tief in die eigene Stellung, bis nach e3. Mein Gefühl (und vermutlich Max´ Berechnung) war, dass kann für den Gegner nicht gut ausgehen, und es wurde tatsächlich Matt! Zwei sehr unterschiedliche, aber saubere Siege von Achim und Max! Direkt vor der Zeitkontrolle war dann Geert an Brett 6 mit seinem Remisangebot erfolgreich, sein Gegenüber schlug zeitnotbedingt in sehr schwieriger (aber wie man nachher sah, besserer) Stellung ein. Also bei der Zeitkontrolle ein Zwischenstand von 4 : 2 für uns und zwei sich im Gleichgewicht befindliche Stellungen, was Anlass für die ersten optimistischen Gespräche vor der Tür war. Aber natürlich kann am Brett viel passieren, was Stockfish nie passiert, können Menschen am Brett schnell kaputtmachen…
Es war klar, dass nun die Stader Spieler an Brett 5, wo bei uns Lukas verkehrte, und Brett 8, wo erstmals in dieser Saison Sven eingesetzt wurde, alles versuchen und bis zur letzten Patrone kämpfen würden. Dabei gingen sie sehr erfindungsreich vor und beide Stader konnten ihre Stellungen nach und nach verbessern, meine Sorgenfalten wuchsen. Zunächst konnte Lukas´ erfahrener Gegner seine Stellung verstärken, einen Bauern gewinnen und die passive schwarze Aufstellung entscheidend schwächen, sodass Lukas seine Hand zur Aufgabe herüberreichen musste, nur noch 4 : 3. Und Sven? Er hatte in der Eröffnung einen Bauern verloren, sodass ich da schon das Schlimmste befürchtete, den aber „irgendwie“ zurückgewonnen, und stand bei Zug 40 sicherlich nicht schlechter. Aber auch hier spielte der Stader sehr kreativ, verbesserte seine Stellung mehr und mehr, gewann schließlich einen (Frei)Bauern und war nahe davor, diesen mit Turm und Springer entscheidend zu unterstützen. In dieser Phase war ich nahezu sicher, dass unsere Aufstiegsträume unsanft zerplatzen würden. Aber wer Sven kennt, der weiß um seine Stärken – und Schwächen. Sven ist sicherlich nicht der Filigrantechniker und seine strategischen Stellungseinschätzungen widersprechen so manches Mal den gängigen Lehrmeinungen. Aber eines kann er: Kämpfen! Und er hat gute Nerven! In einer Stellung, die sicherlich die meisten (alle?) von uns verloren hätten, schaffte er es, seinen nun in Zeitnot driftenden Gegner irgendwie (Schein?)Probleme zu stellen. Der verfehlte nun den geraden Weg und traf mehrere kleine, aber entscheidende Fehlentscheidungen. Ab Zug 65 lebte der Stader nur noch von seinem Inkrement, während Sven 5 Minuten mehr Zeit hatte. Nervenanspannung und Zeitnot des Gegners führten schließlich dazu, dass alle restlichen Steine geschlagen werden konnten und nach 80 Zügen nur noch zwei Springer übrig blieben. Es war geschafft, mit einem knappen und glücklichen 4,5:3,5 Erfolg sind wir als Tabellenzweiter nach vielen Jahren erneut in die Oberliga aufgestiegen!!! Der Oberligareserve aus Nordhorn gratulieren wir an dieser Stelle gerne zur verdienten Landesligameisterschaft, und gerne erinnern wir uns hier an deren einzigen verlorenen Kampf in der abgelaufenen Saison, nach dem die Chance zum Aufstieg für uns greifbar wurde…
An dieser Stelle ist auch Zeit, um eine Spielerbilanz zu ziehen. An Brett 1 war Dirk mit 6/9 und ohne Niederlage eine Bank. An Brett 2 überzeugte Paul mit 4/7 und der zweitbesten DWZ-Performance. Einig waren sich an den Brettern 3-5 Max, Achim und Edward: Alle holten 5,5/9 mit einer Performance knapp unter 2100. Nur ein Spieler aus der Mannschaft hat ein Ergebnis von unter 50 % vorzuweisen, mit 2,5/6 ist dies überraschenderweise Lukas. Aber dafür hat er im letzten Jahr etwas viel Wichtigeres erreicht, sein zweites Staatsexamen! An Brett 7 war bei uns Geert aufgestellt, er holte mit 3,5/7 50 %. Am letzten Brett war der Käpt´n unterwegs, mit meinen 4,5/7 sollte ich zwar zufrieden sein, allerdings verdarben mehrere Remisen in besseren Stellungen ein mögliches besseres Ergebnis. Festzuhalten ist, dass sich die Verjüngung der Mannschaft durch Max und Edward ausgezahlt hat, beide haben voll überzeugt! Dank auch an unsere Ergänzungsspieler, die traditionell auch zu unserer Saisonabschlussfeier eingeladen werden.
Und wie sind die Aussichten für die nächste Saison in der Oberliga? Wir sind keine Traumtänzer, wir wissen, dass die Landesliga die Klasse ist, wo wir spielerisch hineingehören, dafür sprechen allein die acht spannenden Mannschaftskämpfe; nur gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten aus Spelle hatten wir leichtes Spiel. Auch ist die Oberliga nicht mehr mit den Zeiten zu vergleichen, als wir da zuletzt unterwegs waren, Dirk, Achim und ich haben da gute Vergleichsmöglichkeiten. Es wird darauf ankommen, sich die Lust am Spielen zu bewahren und sich nicht durch -die unvermeidlichen- Niederlagen entmutigen zu lassen. Schlimmmstenfalls (und wahrscheinlich) spielen wir in der übernächsten Saison wieder in der Landesliga, aber vielleicht gelingen uns ja mehrere Überraschungen…
Gerhard Müller