Abschlussbericht zur U10 Weltmeisterschaft

Die U10 Weltmeisterschaft ging nun vor einigen Tagen zu Ende und hier ist der Bericht zu den letzten drei Runden von Edward.

In der neunten Runde hatte Edward mit Zurab Malania das fünfte Mal einen Gegner aus Georgien. Das war natürlich ein gewisser Nachteil, da diese sich untereinander austauschen und sich so gezielter auf die Partie vorbereiten konnten. Außerdem hatten vier der fünf Gegner noch keine Wertung, so dass es ebenfalls schwer war, die Spielstärke einzuschätzen.

Diese Partie lenkte Edward mit den schwarzen Figuren in die Taimanov-Variante des Sizilianers und erspielte sich innerhalb der ersten 15 Züge einen leichten positionellen Vorteil. Diesen gab er aber her, als er sich dazu entschloss, einen Abtausch der weißfeldrigen Läufer auf Kosten eines Doppelbauern für schwarz anzubieten. Daraufhin wurde weiter manövriert, bis weiß den leichten Vorteil durch diese klare Schwäche in der schwarzen Stellung wieder hergab, indem er seinerseits einen Abtausch anbot – diesmal war es die Dame – was der weißen Struktur ebenfalls einen Doppelbauern bescherte.

An diesem Punkt stand die Partie bei ausgeglichenem Material und ausgeglichener, wenn auch nicht symmetrischer Struktur eindeutig auf Remis. Es dachte aber keiner daran, sich mit einem halben Punkt zufrieden zu geben und so wurde weitergespielt. Nachdem sich beide Spieler die Doppelbauern des jeweils anderen abgeholt hatten, besetzte der weiße Springer einen extrem starken Außenposten auf e5, von wo aus er das Zentrum dominierte und bewies, dass er in dieser Stellung deutlich effektiver war, als der schwarzfeldrige Läufer, der ihm gegenüber stand. Er schaffte es, in einer kurzen Abfolge den c und d Bauern von schwarz vom Brett zu nehmen und der Georgier hatte daraufhin nur noch ein gewonnenes Endspiel mit zwei Mehrbauern umzuwandeln, was ihm schließlich gelang.

Als Edward die Auslosung von Runde 10 sah und feststellte, dass ihm mit Nikoloz Jangisherashvili erneut ein Junge aus Georgien gegenüber sitzen würde, beschloss er seine Strategie zu ändern. Hatte er doch bisher immer mit 1.e4 begonnen, wollte er die Vorbereitung seines Gegners umgehen und beschloss, das erste Mal in diesem Turnier 1.d4 zu spielen.

Nach 1… Sf6, 2.c4 c5, 3.Sf6 entstand eine Partie in der englischen Symmetrievariante. Im Mittelspiel schaffte schwarz es, seine Figuren aktiver zu platzieren, dadurch mehr Felder und besonders offene Linien zu kontrollieren und letztendlich sogar, einen Turm auf die zweite Reihe zu bringen. Die engine bescheinigte ihm zu diesen Zeitpunkt bei beidseitig gleichem Material einen überraschend großen Vorteil von -4,3. Als er dann die Chance hatte, auch noch den zweiten Turm auf die zweite Reihe zu bringen und so die Position von weiß vollkommen zu infiltrieren, entschied er sich jedoch dagegen und verdoppelte anstatt auf der zweiten Reihe lieber auf der e-Linie. Dadurch gewährte er weiß die Inititiative, was Edward sofort zu nutzen wusste, so dass er durch ein geschicktes Manöver mit seinen Türmen schwarz dazu zwang, seinen Turm von der zweiten Reihe zurückzuziehen und abzutauschen, so dass der Vorteil komplett verpuffte.

Nun schien die Partie ganz schnell Richtung Remis zu gehen, denn objektiv hatte kein Spieler eine gute Möglichkeit, Fortschritte zu machen. Der Georgier schien dies auch so zu sehen, denn er beschloss, seinen Läufer mehr oder weniger hin und her zu ziehen und überließ es Edward, sich etwas zu überlegen. Aber dieser hatte festgestellt, dass sein Gegner plan- und ambitionslos war und witterte seine Chance. Langsam und Stück für Stück verbesserte er die Position seines Springers, bis er geschützt vom g5-Bauern auf h6, ganz in der Nähe des schwarzen Königs auf g7 landete. Direkt war von da aber noch nichts zu erreichen, war doch die schwarze Stellung zu solide. Als allerdings der Georgier einen Zug nicht aufpasste und Edward’s Plan offenbar nicht durchschaut hatte, ließ er es zu, dass der weiße Turm auf die Grundreihe gelangte, von wo aus das sogenannte Hakenmatt mit dem Turm auf g8 nicht mehr aufzuhalten war. Und so gewann Edward eine glasklare Remisstellung doch noch, indem er nicht nachließ und die Schwäche seines Gegners nutzte.

In der letzten Runde ging es – oh Wunder – nicht gegen einen Georgier, sondern gegen einen Griechen mit dem schönen Namen Ioannis Kiryttopoulos. Dieser hatte allerdings bereits in Runde 4 den letztlichen Sieger des Turniers und somit den neuen U10 Weltmeister aus Frankreich David Lacan Rus geschlagen, war also ebenfalls ein sehr starker Spieler.

Edward beschloss, nach dem Erfolg seiner Strategie in der zehnten Runde wieder eine Überraschung für seinen Gegner aus dem Hut zu zaubern. Er entschloss sich, die Königsbauerneröffnung seines Gegners nicht wie sonst mit dem Sizilianer zu beantworten, sondern eine französische Verteidigung zu spielen. Der Grieche entschied sich, in die Abtauschvariante zu gehen und es entstand das gewohnte symmetrische Bild mit Läufern auf d3, d6, g4 und g5 und Springern auf f3 und f6. Nachdem die Läufer auf der g-Linie mit h3 und h6 jeweils auf die h-Linie vertrieben worden waren, war es Edward, der sich zuerst entschied, mit g5 einen Angriff zu starten und so seine eigene Königssicherheit in den Hintergrund zu rücken.

Nach dem Abtausch aller Läufer und eines Turmpaares war der schwarze König mittlerweile mit seinen Bauern vorgerückt und hatte das Feld g6 für sich beansprucht, während der weiße König immernoch passiv, aber extrem sicher auf g1 ruhte. Nachdem weiß aber ein Bauernopfer auf h5 anbot und den Springer von f4 zwang, dieses anzunehmen, gab dies aber das Feld d3 und damit die Diagonale, auf der der schwarze König sich befand, für die weiße Dame frei. Dadurch war Edward gezwungen, f5 zu spielen, was seine Königssicherheit weiter schwächte und als weiß dann den f5 Bauern gewann und das Material so wieder ausglich, war der schwarze König nahezu schutzlos. Der Computer behauptet zwar, es sei alles in Ordnung (0.0), aber aus menschlicher Perspektive war es extrem schwer, alle Drohungen, die die weiße Dame und die beiden weißen Springer mit dem extrem offenen schwarzen König hatten, zu parieren. So machte Edward einen einzigen ungenauen Turmzug, der es dem Griechen erlaubte, den h-Bauern zu gewinnen und mit seiner Dame zu infiltrieren, die schwarze Stellung fiel in sich zusammen und weiß setzte im Endeffekt den schwarzen König matt.

Insgesamt holte Edward also aus 11 Runden 5 Punkte, was bei einer Weltmeisterschaft meines Erachtens nach eine respektable Leistung ist. Insbesondere unter den Umständen (andere Bedenkzeit; viele georgische Gegner mit Heimvorteil und Vorbereitungsvorteil; insgesamt viele sehr starke Gegner, zum Großteil ohne Wertungszahl) bin ich stolz auf Edward und seine Leistung. Ich bin sicher, dass er viel von der Erfahrung mitgenommen und gelernt hat und nicht nur schachlich, sondern auch in seiner persönlichen Entwicklung als Schachspieler und als Wettkämpfer im Allgemeinen einen großen Schritt gemacht hat und auch in den Nachanalysen noch einige Erkenntnisse dazu kommen werden. Außerdem bleibt positiv zu erwähnen, dass durchaus noch mehr drin gewesen wäre und ich bin überzeugt davon, dass Edward in zukünftigen Turnieren von dieser Erfahrung profitieren kann und so noch viele gute Ergebnisse erzielen wird.

Ein Nachruf noch zu unserem Jugendwart, der natürlich in erster Linie als Vater von Edward mitgefahren ist und nur in zweiter als unser Jugendwart. Trotzdem möchte ich ihm danken, einmal für den Einsatz, den er zeigt, um Edward überhaupt zu ermöglichen an so einem Turnier teilzunehmen, aber auch für den stetigen Fluss an Informationen, den er mir hat zukommen lassen, um mir zu ermöglichen, diese Berichterstattung zu schreiben.

Und zum Abschluss noch ein kurzes Wort direkt an Edward:

Du kannst wirklich stolz auf dich sein, ich bin es auf jeden Fall! Du hast den Schachverein Osnabrück von 1919 e.V., das Bundesland Niedersachsen und Deutschland auf der Weltmeisterschaft würdig repräsentiert und wir sind stolz auf dich!

Sebastian