Gelungener Saisonauftakt der 1. Mannschaft in der Oberliga mit einem kleinen „ja, aber …“

Etwas verspätet, aber nicht zu spät, erreichte uns Achim´s sehr schöner  Bericht über den Oberligaauftakt unserer ersten Mannschaft:

Nach vielen Jahren der Abwesenheit konnte die 1. Mannschaft des SV Osnabrück nach dem Aufstieg in der vergangenen Saison endlich wieder Oberliga-Luft schnuppern. Dazu führte uns die Auslosung in der ersten Runde der Oberliga Nord West zum SK Lehrte, der selber erst in der vorletzten Saison aufgestiegen war.

Der SK Lehrte (von 1919, also genauso traditionsreich wie unser OSV!), laut eigener Aussage einer der größten Schachvereine Niedersachsens, ist ein sehr aktiver Klub mit vereinseigenen Spielräumlichkeiten und einem breiten Angebot für alle Altersklassen; er nimmt mit vielen Mannschaften in diversen Klassen am Spielbetrieb teil, richtet größere Turniere aus und hat sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag.

Die Begegnung selbst nahm zunächst keinen guten Verlauf: Geert am Brett 7 spielte mit Weiß das sizilianische Flügelgambit und erreichte eine für diese Eröffnung übliche Stellung. Im 13. Zug brachte er ein sehr optimistisches Figurenopfer, das der Gegner parieren konnte, so dass Geert noch eine Figur ins Geschäft steckte, um den Angriff nicht versiegen zu lassen. Dieser ließ sich jedoch nicht verstärken, so dass wir nach kurzer Zeit mit 0-1 in Rückstand gerieten. Schade, denn Geerts ultrascharfe Spielweise hätte eine etwas längere Partie verdient gehabt. Ein erster Rundgang zeigte mir aber an allen anderen Brettern ungefähr ausgeglichene Stellungen.

Dirk an Brett 1 verzichtete auf das Angebot, gegen eine Königsindische Verteidigung zu spielen und lenkte (zur Überraschung seines Gegners?) in die Pirc-Verteidigung ein. Nach einem Massenabtausch im Mittelspiel behielt Dirk zwar ein geringfügig schlechteres Endspiel, was er aber letztendlich halten und durch präzises Spiel in eine tote Remis-Stellung überleiten konnte. Wieder einmal eine sehr gute Leistung unseres Spitzenbrettes gegen einen äußerst starken FIDE-Meister!

Ein wildes Gefecht entwickelte sich an Brett 2: Paul opferte in einem scharfen Sizilianisch-System ausgangs der Eröffnung einen Bauern, um gegen den unrochierten weißen König vorzugehen. Das erwies sich allerdings als undurchführbar, so dass Paul in schon verlustträchtiger Stellung noch einen Bauern hergab. Nach einer starken taktischen Abwicklung in ein Endspiel mit einem Minus-Bauern gelang es ihm aber, Turm, Springer und vor allem seinen König so aktiv zu postieren, dass er die Partie sicher halten konnte. Eine prima Endspielvorstellung!

An Brett 3 wurde ebenfalls Sizilianisch geboten, dieses Mal allerdings mit Edward auf der weißen Seite. Nach ungenauem Eröffnungsspiel Edwards gelang es seinem Gegner, direkt in ein vorteilhaftes Endspiel mit schwarzem Läuferpaar abzuwickeln, das Edward aber mutig durch Vorrücken seines c-Bauern verteidigte. Die entstehenden Komplikationen brachten ihn nicht aus dem Konzept, und nachdem sein Gegner mit allen Mitteln auf Gewinn spielte, entstand plötzlich ein gewinnträchtiges Läuferendspiel für Weiß, in dem der gewiefte Gegner Remis anbot, was Edward leider annahm. Dennoch eine gute Verteidigungsleistung unseres jüngsten Teammitglieds!

Lukas an Brett 4 bekam es mit einer sehr erfahrenen Spielerin (WFM) zu tun. Zunächst erreichte er mit der supersoliden Lasker-Verteidigung des Damengambits eine sichere Schwarz-Stellung. Im 17. Zug startete seine Gegnerin dann einen stellungswidrigen Königsangriff, auf den Lukas mit einer Zentralisierung seiner Schwerfiguren reagierte. Nachdem die Gegnerin an ihren aussichtslosen Angriffsabsichten hartnäckig festhielt, gelang es Lukas durch einen wuchtigen taktischen Gegenschlag im Zentrum, den sofortigen Gewinn zu erzwingen. Eine ganz saubere Leistung!

Meine Weiß-Partie am 5. Brett entwickelte sich aus einem Damengambit zunächst sehr ruhig. Zu Beginn des Mittelspiels ließ sich mein Gegner seinen d-Bauern vereinzeln, um Angriffschancen zu erhalten. Nach einer Unachtsamkeit meinerseits musste ich die Verschlechterung meiner Königsstellung hinnehmen. Allerdings gelang es mir, auf der jetzt halbgeöffneten g-Linie mit einem Gegenangriff zu drohen, was den Schwarzen veranlasste, in ein ungefähr ausgeglichenes Endspiel überzuleiten. Dort unterliefen ihm zwei verhängnisvolle positionelle Fehler, die ich zum Gewinn eines Bauern ausnutzen konnte. Durch den plötzlichen Umschwung aus dem Konzept gebracht, beging mein Gegner noch einen taktischen Fehler, der einen weiteren Bauern kostete. Danach war die Realisierung der technischen Gewinnstellung nicht mehr schwer.

Maximilian, unser sympathischer Neuzugang, erreichte mit Schwarz zunächst eine befriedigende Stellung, ließ dann allerdings die Verdoppelung seines c-Bauern auf der halboffenen c-Linie zu, was seinem Gegner die etwas besseren Aussichten einräumte. Nach einem fehlerhaften Abtausch kam dann aber Maximilian zu besserem Spiel und Angriffsaussichten am Damenflügel. In dem anschließenden reinen Schwerfigurenendspiel fanden beide Parteien nicht die richtigen Züge; der Vorteil wechselte mehrfach die Seiten, bis es schließlich zu einem Damenendspiel kam, das keine Seite gewinnen konnte. Eine gelungene Premiere für Maximilian in der Oberliga!

Das eigentliche Drama dieses Tages entwickelte sich am 8. Brett: Nach kuriosem Eröffnungsverlauf ergab sich eine Stellung aus der Abtauschvariante des Slawischen Damengambits, in der der Gegner am Königsflügel eine Offensive gegen Torstens König eröffnete. Torsten verteidigte sich besonnen, und als der Weiße zu viel von seiner Stellung verlangte, kam unser Mann in großen Vorteil. Durch einen energischen Bauernvorstoß hätte er eine klare Gewinnposition erreichen können, zögerte aber und verlor nach und nach den Vorteil. Im anschließenden Geplänkel blieb die verbarrikadierte Stellung praktisch unverändert, bis es zu einem typischen Endspiel „guter (weißer) Springer gegen schlechten (schwarzen) Läufer“ kam. Allerdings befand sich die Stellung immer noch im Gleichgewicht, und da Torsten sich zäh und umsichtig verteidigte, schien die Partie auf ein Remis zuzusteuern, was uns den Gesamtsieg gesichert hätte. Durch ein kurzes Nachlassen der Konzentration im 74. Zug musste Torsten dann die Opposition aufgeben, was dem gegnerischen König leider den entscheidenden Durchbruch gestattete.

Auch wenn es letztendlich nur zu einem im Nachgang etwas enttäuschenden 4:4 gereicht hat, können wir mit den gezeigten Leistungen zufrieden sein, vor allem, wenn man bedenkt, dass wir an allen Brettern teils deutlich schlechtere DWZ aufwiesen. Mit dieser Tatsache werden wir aber auch in allen anderen Begegnungen dieser Saison konfrontiert werden.

Achim Wöstmann