Ein gebrauchter Tag: Erste kassiert deutliche Niederlage in Bremen

In der 3. Runde der Oberliga Nord West mussten wir bei der 3. Mannschaft von Werder Bremen antreten. Ob in der Landesliga (gegen Werder 4) oder eben wie jetzt in der Oberliga: die Aufstellung der Bremer ist immer eine Wundertüte, da sie stets mit mehreren Ersatzleuten spielen. Da am vergangenen Sonntag zeitgleich Werder 2 (in der 2. Bundesliga) und Werder 4 (in der Landesliga) ihre Heimspiele austrugen, war ich gespannt, mit welcher Aufstellung wir es zu tun bekämen.

Ein Blick auf den Meldebogen ließ uns allerdings einen schweren Gang vermuten: die drei gemeldeten „Ersatzspieler“ an den Brettern 6 bis 8 könnten bei unserer Ersten problemlos als Stammspieler an den vorderen Brettern eingesetzt werden. Aber dass es in der Oberliga nicht einfach werden würde, wussten wir ja vorher.

Zunächst lief es allerdings für uns durchaus ermutigend: Florian, unsere junge Verstärkung aus der 3. Mannschaft, spielte am 8. Brett gegen seinen äußerst erfahrenen und starken Gegner Franke unbekümmert auf. Gegen die Bird-Eröffnung entschied sich Florian für das Froms-Gambit, was, wie sich zeigen sollte, eine goldrichtige Wahl war. Zwar war sein Angriff auf dem Königsflügel zunächst etwas überstürzt, aber der Weiße konnte daraus keinen Nutzen ziehen, verlor das Rochaderecht sowie den Gambitbauern. Florian baute sich eine vielversprechende Position auf, was mit dem Gewinn eines weiteren Bauern belohnt wurde. Angesichts des großen DWZ-Unterschieds nahm er in etwas besserer Stellung das Remisangebot des Gegners an. Eine sehr gute Vorstellung unseres Youngsters!

Torsten am 7. Brett spielte eine äußerst solide und schnörkellose Partie gegen FM Buchal; beide Seiten riskierten nichts, tauschten nach und nach Figuren und Bauern, so dass es frühzeitig zu einem völlig verdienten Unentschieden kam. Leider sollte sich herausstellen, dass dies das letzte positive Ergebnis werden würde.

Am 2. Brett kam es zu einem scharfen Eröffnungsduell: Paul attackierte die weiße Rochadestellung, während sein Gegner Lichmann den schwarzen Damenflügel abgraste. Dabei stellte sich heraus, dass Pauls Angriffsideen nach und nach vom umsichtig agierenden Gegner neutralisiert werden konnten. Nach dem 24. Zug kämpfte Paul bereits für eine verlorene Sache, an der auch ein verzweifeltes Figurenopfer nichts mehr änderte. Nach weiteren 14 Zügen musste er die weiße Fahne hissen.

Edward trat am 3. Brett als Anziehender gegen den Meisterkandidaten Weidenhöfer an. Die Eröffnung verlief ruhig mit minimalen Vorteilen für Weiß. Nach einem geschickten Manöver des Schwarzen und einer unvorsichtigen Replik Edwards erzwang der Gegner den Gewinn eines Mittelbauern und stand ausgangs der Eröffnung glatt auf Gewinn. Edward versuchte noch ein Gegenspiel aufzuziehen, aber gegen die fehlerfreie Technik seines jungen Gegners war er letztlich chancenlos.

Lukas spielte am 4. Brett mit Schwarz gegen WIM Efimenko. Nach ruhiger Eröffnung versäumte es die Weiße, ihren König in Sicherheit zu bringen, was Lukas durch energisches Spiel auf den offenen Zentrallinien zunächst gut ausnutzte. Statt aber in der entscheidenden Situation den in der Mitte verbliebenen weißen König von der Seite zu packen und einen Mattangriff zu starten, brachte er ein überstürztes Figurenopfer, wonach der Vorteil an Weiß überging. Aber auch die Gegnerin spielte nicht die besten Züge, so dass die Stellung wieder ins Gleichgewicht kam. Durch fortgesetztes Schachgeben mit der Dame hätte Lukas nun zumindest das Remis erzwingen können, schickte stattdessen seinen Springer vor, der sich aber im weißen Lager ohne etwas zu erreichen verirrte und dort schlussendlich verloren ging. Statt auf 2:3 heranzukommen, lagen wir plötzlich mit 1:4 hinten.

Wer jetzt auf die restlichen Bretter gehofft hatte, wurde abermals enttäuscht, denn es sollte noch schlimmer kommen: Am 1. Brett bekam es Dirk (Weiß) mit GM Fish zu tun. Nach leicht unpräziser Eröffnung geriet er in eine etwas schlechtere Stellung, die er durch umsichtige Verteidigung ausgleichen konnte. Nach einer groben Nachlässigkeit des GM hätte Dirk einfach einen Bauern mit klarer Gewinnstellung einsammeln können, entschied sich aber für eine sichere Fortsetzung, die die Stellung verflachen ließ. In einer Position, die der Punkteteilung schon sehr nahe war, startete Schwarz mit den verbliebenen Figuren noch einen letzten Königsangriff, der Dirk leider überraschte, und nach schwacher Verteidigung dem Schwarzen einen unabwendbaren Mattangriff einbrachte.

Damit war die Begegnung zwar entschieden, aber das Debakel noch nicht vorbei: meine Partie mit Weiß am 5. Brett gegen FM Steffens nahm zunächst einen guten Verlauf. Nach einer überaggressiven Eröffnung meines Gegners gelang es mir, eine leicht vorteilhafte Stellung herauszuspielen. In der entstehenden komplizierten Mittelspielstellung fand ich aber nicht die richtige Fortsetzung, so dass mein Gegner eine aussichtsreiche Angriffsposition erhielt. Nach einem ernsten positionellen Fehler des Schwarzen kam ich dann zu spürbarem Vorteil, den ich voreilig als Gewinnstellung einschätzte. Bei dem unangebrachten Versuch, den Vorteil in einen Bauerngewinn umzumünzen, schwächte ich meine Königsstellung, übersah anschließend ein entscheidendes Qualitätsopfer und musste kurz darauf kapitulieren.

Beim Stande von 1:6 hofften wir, dass wenigstens unser 6. Brett das Endergebnis etwas freundlicher würde gestalten können. Boris übernahm mit Schwarz gegen den Nachwuchsspieler Helms schnell das Kommando, und nachdem Weiß in einer verwickelten Situation durch einen taktischen Fehlgriff einen Springer einbüßte, schien die Partie fast schon gelaufen zu sein. Weiß verteidigte sich zäh und baute sich eine schwer einzunehmende Festung auf. Durch geduldiges Positionsspiel gelang es Boris allerdings, die verriegelte Stellung nach und nach aufzubrechen und weiteren Materialgewinn zu erzwingen. Kurz vor der Aufgabe inszenierte der Gegner dann eine letzte verzweifelte Schwerfigurenattacke gegen die luftige schwarze Königsstellung, aber im 40. Zug hätten bereits mehrere Züge zum Sieg des Schwarzen geführt. Bei dem Versuch, den weißen Angriff abzuwehren, beging er einen verhängnisvollen taktischen Fehler, wonach der gesamte Material- und Stellungsvorteil bedeutungslos wurde, da der schwarze König gezwungenermaßen die Flucht nach vorne antreten musste. Alles sah jetzt nach einem Remis durch Dauerschach aus, als Boris leider die vorletzte weiße Figur schlug, was dem Gegner einen überraschenden Mattangriff gestattete.

Fazit: Eine unerwartet hohe Niederlage, aber es lief auch fast alles schief an diesem gebrauchten Tag. Nach Sichtung aller Partien ist man versucht, von einer unverdient hohen Klatsche zu sprechen, aber was heißt schon unverdient, wenn mehrere Elfmeter (die theoretisch zum Unentschieden gereicht hätten) allesamt nicht verwandelt werden.

Hans-Joachim Wöstmann