Erst Mitte November stand nun der zweite Mannschaftskampf für unsere zweite Mannschaft an, die nach dem Aufstieg im ersten Spiel erfolgreich gewesen war und dies gestern wiederholen wollte. Da es aber in der Ersten bei deren Auswärtsspiel in Bremen Ausfälle gab, mussten wir mit Boris und Torsten auf zwei unserer Besten verzichten. Der Ersten hat das aber nicht geholfen, Näheres wird hier sicherlich demnächst berichtet werden, auch wenn man deren Ergebnis lieber schamhaft verschweigen möchte. Die Suche nach Ersatzkräften gehört zu den undankbaren Aufgaben eines Mannschaftsführers, zumal auf niedersächsischer Ebene die Zahl der überhaupt Spielberechtigten begrenzt ist. Schließlich war ich froh, mit Jakob Speck und dem erstmals in einer so hohen Liga spielenden Jason Schwab aus unserer Jugendmannschaft zwei Spieler gefunden zu haben, die „sehr gerne“ die Fahrt nach Nordhorn mitmachen wollten.
Um kurz nach 10 h ging es also los, unsere Gastgeber waren so nett, auf unseren etwas verspäteten zweiten Wagen zu warten. Bei den Nordhornen, die mit der dritten (!) Mannschaft in der Verbandsliga spielten, fehlten auch einige Stammkräfte, das ist das Los der klassentieferen Mannschaften, wenn alle höheren Ligen zeitgleich antreten müssen. Nach meiner Erfahrung wird in Nordhorn ein kämpferisches Schach propagiert und vorgelebt, und das zeigte sich nun erneut, es waren schnell mehrere zweischneidige Stellungen auf dem Brett. Unser Jugendlicher Jason wurde scharf angegangen und stand nach mehreren zweitbesten Zügen schon schnell schlecht. Völlig unnötig opferte sein Gegner dann Läufer und Turm, wonach die richtige Entgegnung sogar den Partiegewinn für Jason bedeutet hätte. Aber Hätte – hätte – Fahrradkette: nach der Partiefortsetzung war es Matt und wir lagen 0:1 hinten. Schade, hier wäre mit mehr Nachdenken mehr drin gewesen. In dieser Phase hatte ich kein gutes Gefühl, denn neben vielen zweischneidigen Stellungen gefiel mir meine eigene nicht so recht. Weitere Entscheidungen ließen auf sich warten, bis kurz vor der Zeitkontrolle.
Doch dann ging es Schlag auf Schlag: Sergey hatte an Brett 2 eine Position auf dem Brett, die ich erst gar nicht durchzurechnen versuchte, von beiden Spielern hingen mehrere Figuren. Doch dann war es plötzlich vorbei, Sergey hatte weiter gerechnet und gewann – eine wirklich starke Vorstellung, die deutlich machte, dass er früher eine große Spielstärke hatte! Praktisch zeitgleich reichte Nenads Gegner an Brett 6 die Hand zur Aufgabe, wohl ermüdet durch Nenads stetiges Massieren stellte er im Endspiel eine Qualle ein. Und noch zwei Minuten später gewann Jakob an Brett 7: Er hatte früh einen Bauern nach d6 vorschieben können, der die gegnerischen Figuren band, und konnte dann durch eine reife Vorstellung entscheidenden Vorteil zum 3:1 für uns erlangen. Jakob zeigte, dass er für unsere Zweite ein mindestens vollwertiger Ersatz ist!
In der Zeitnotphase dann das 4:1 für uns: Am Spitzenbrett musste sich David mit einer Nebenvariante im Spanier auseinandersetzen, welche er aber gut behandelte. Sein Gegenüber goss durch ein -nicht ganz korrektes- Öffnen der Königsstellung Öl ins Stellungsfeuer, wonach die Stellung hochtaktisch wurde. In der häuslichen Analyse sah Stockfish zunächst Vorteil für David, dann dynamischen Ausgleich. Als bei beiden dann nur noch wenige Minuten auf der Uhr verblieben, griff Davids Gegner in den Fettnapf, was souverän ausgenutzt wurde: 4:1! Dann aber ein Wermutstropfen in unserer Bilanz: Wie oben erwähnt stand ich schlechter, nachdem ich mehrfach falsch abgebogen war. Es gelang mir aber, die Stellung zu verkomplizieren und ein Endspiel mit D, T + 5 B gegen D, T +6 B zu erreichen, wo die offene Königsstellung meines Gegenübers mir dynamischen Ausgleich sicherte. Nach einem schweren Patzer meines Gegners hätte ich zweizügig gewinnen können, ging aber achtlos dran vorbei. Einige Züge später verpasste ich die Chance, das Damenendspiel im Gleichgewicht zu halten und musste nach einer insgesamt schwachen Vorstellung aufgeben: 4:2.
Um den Mannschafftssieg mussten wir uns aber keine Sorgen machen, da Maximilian an Brett 6 zu dieser Zeit ein Turmendspiel mit 2 vs. 0 Bauern auf dem Brett hatte. In einer vorher nicht ganz fehlerfreien Partie mühte er sich nun 40 Züge lang, die glasklare und eigentlich „leichte“ Gewinnführung zu finden. Es war wohl die Angst des Torschützen beim Elfmeter (oder doch mangelnde Endspielkenntnisse?), aber es wurde schließlich doch nur Remis. Schade um die vergebene Gewinnchance, aber es war das 4,5 – Mannschaftssieg!
Wir hatten uns mit dem 4,5:3,5 Sieg abgefunden und ich packte schon meine Sachen zusammen, denn Sven stand an Brett 4 total auf Verlust. Aber plötzlich war der feindliche Freibauer auf g7 ganz weg und nicht, wie von mir gesehen, zur Dame mutiert. Svens Gegner mühte sich noch weitere ca. 40 Züge, aber das ungleichfarbige Läuferendspiel war Remis – und Sven hatte wieder einmal seine enormen Kämpferqualitäten gezeigt.
Endstand also 5:3. In Anbetracht der Tatsache, dass es auch hätten 7,5 Brettpunkte sein können (nur Sven stand nie auf Gewinn), vollauf verdient! Das wäre aber doch des Guten zu viel gewesen. Damit sind wir nach zwei Runden alleiniger Tabellenführer und das erstrangige Ziel, der Klassenerhalt, schon jetzt in greifbarer Nähe…
Gerhard Müller
